Mit sich eins im Temporausch

Mountainbiker Nico Zünd hatte sich einst dem Cross Country verschrieben, träumte, wie viele Gleichaltrige von einer Profikarriere. 2018 trat er zurück, kehrte aber bald wieder auf die Rennstrecken zurück. Mit Erfolg.

Mountainbike. Der Widnauer Nico Zünd feierte letzten Sommer den Gesamtsieg der Kategorie Open Men in der Swiss Enduro Series. Enduro-Rennen bestehen aus verschiedenen, sogenannten Stages und sind im Prinzip mehretappige Downhill-Rennen. Ein cooler Event», erzählt der 24-Jährige. Die Stages sind bis zu einer Viertelstunde lang. Technisch und konditionell wird alles abverlangt. Auch wenn die Zeiten nur abwärts gestoppt werden, müssen doch einige Höhenmeter überwunden werden. Die Tage im Sattel sind lang und auf den Stages gibt es ab und an auch einen Gegenhang: «Dort ist man froh um jede Power, die man hat.» Wichtig sei aber vor allem das Gefühl für das Mountainbike: «Dieses habe ich aus dem Cross-Country-Sport, dort habe ich das Radfahren gelernt und bin froh, dieses auf das Enduro Bike mitnehmen zu können.» In den Abfahrten der Enduro-Wettkämpfen ist man zwar alleine unterwegs, erzählt Zünd weiter: «Zwischen den Wettkampfteilen ist es aber mehr ein Miteinander als ein Gegeneinander, was ich sehr schätze.» 

Dank Kollege zum ersten Endurostart

Nico Zünd bestritt rund zehn Jahre Cross-Country-Rennen, machte im Swiss Bike Cup und dem Ostschweizer Bike Cup mit mehreren Siegen und Topplatzierungen auf sich aufmerksam, feierte 2016 den Kantonalen Meistertitel, fuhr ein Weltcuprennen in Südafrika und qualifizierte sich als Fahrer des U19-Nationalteams im Jahr 2017 für die Europameisterschaft in Darfo Boario Terme (It). Natürlich liebäugelte er wie viele junge Mountainbiker damit, in die Fussstapfen des Schweizer Ausnahme-Mountainbikers Nino Schurter zu steigen. Doch um den Sport zum Beruf zu machen, muss alles zusammenstimmen. «Tut es das nicht, muss man sich für die Ausbildung entscheiden. Denn es gibt noch anderes im Leben als Mountainbike zu fahren», blickt der heutige Bankberater zurück. Nach Abschluss der Matura an der Kantonsschule Heerbrugg, machte er im Militär den «Durchdiener» und konzentrierte sich danach auf seine Ausbildung. Im Herzen blieb er dem Mountainbike-Sport treu. Er kaufte sich ein Enduro-Bike für noch mehr Fun im Bikepark und kam dank der Überredungskunst eines Kollegen zu seinem ersten Enduro-Start.  

Deutlicher Kategoriensieg

Erstmals zuoberst auf dem Podest eines Enduro-Rennens stand Nico Zünd 2022 anlässlich des Northlake Enduro Race in Riva del Garda (It). Dann lancierte er die letztjährige Swiss Enduro Series mit einem deutlichen Sieg in Leukerbad. Die darauffolgende Ferienabwesenheit war sogleich sein Streichresultat. Schliesslich folgten drei weitere Podestplätze (zweimal Zweiter, einmal Dritter) und ein vierter Rang. Die Gesamtwertung gewann er mit 830 von möglichen 1000 Punkten und damit deutlich mit 110 Punkten Vorsprung auf den Zweitplatzierten. Einen Kategorienwechsel zur Elite zieht der trotz dieses Erfolges nicht in Betracht. Schon in der Kategorie Open Men müsse man sehr gut Radfahren, um an der Spitze mitzuhalten: «Das passt für mich im Moment.»

Ob er neben der Enduro Series (sie beinhaltet dieses Jahr nur noch vier Rennen) zukünftig weitere Rennen bestreiten wird, ist derzeit noch nicht klar. Nico Zünd freut sich, dass es mit Leukerbad, Airolo, Laax und Einsiedeln in verschiedene Regionen der Schweiz geht: «Ich bin gerne in verschiedenen Gebieten unterwegs, hat doch jede ihre Eigenschaften.» Er schätzt aber auch die Hometrails am St.Anton oder Hirschberg oder dann in Chur, Lenzerheide oder Davos.
 

Durch Trainingssturz zurückgebunden

Das Freiheitsgefühl beim Fahren in der Natur mache den Enduro-Sport aus, so Zünd. Die Geschwindigkeit setze voraus, voll konzentriert zu sein: «Damit ist man eins mit sich selber.» Das fasziniert ihn, auch wenn ihm nicht zuletzt beim Aufsetzen des Helmes jeweils bewusst wird, dass immer auch ein gewisses Risiko mitfährt: «Es ist wichtig seine Fähigkeiten richtig einzuordnen und sich nicht zu überschätzen», erklärt er und gibt zu, dass es im Rennen auch Situationen gebe, bei denen er sich über sein Limit wage: «Dennoch sollte eine gewisse Kontrolle immer vorhanden sein.»

Dass schnell einmal etwas passieren kann, musste er vor einigen Wochen erfahren: In einer Ausfahrt im Spätherbst stürzte er so unglücklich, dass der Lenker in die Leiste drückte und eine Beinarterie riss. «Ich ging im ersten Moment von einem Leistenbruch aus. Doch ein riesiges Hämatom und eine kurzfristige Bewusstlosigkeit machten seinen Begleiter stutzig. «Er reagierte gut und organisierte den Transport ins Spital», so Nico Zünd, der darüber und über die erfolgreiche Not-Operation dankbar ist.

«Das Polysportive macht es aus»

Nico Zünd ist eigentlich immer in Bewegung. So gab es auch nach Ende der letztjährigen Enduro-Saison keine Pause. Zusammen mit einem Kollegen trainierte er als Läufer auf seinen ersten Marathon, überquerte in Budapest die Ziellinie in 3:25 Minuten. Die nächste Zeit wird voraussichtlich am Engadiner Skimarathon genommen. Denn die Wintermonate gehören bei Nico Zünd dem Skifahren, Snowboarden und Langlaufen. Viel Freude hat er auch am Bouldern. «Das Polysportive macht es aus und ich bin überzeugt, dass es dadurch auch auf dem Bike gut funktioniert», lacht er.

Trotz des schweren Zwischenfalls im Herbst ist seine Leidenschaft für den Sport ungebrochen. In der kommenden Enduro-Saison möchte er erneut in der Kategorie Open Men vorne mitmischen: «Doch viel wichtiger als die Resultate ist die Freude.»

Bild: www.benphotography.ch